Nach Art 7 Abs 1 der Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG gebührt dem Arbeitnehmer ein bezahlter Mindestjahresurlaub von vier Wochen. Das österreichische Arbeitsrecht geht über die unionsrechtlichen Vorgaben hinaus, indem es nach § 2 Abs 1 UrlG einen jährlichen Urlaubsanspruch von zumindest 30 Werktagen vorsieht. Laut österreichischem Urlaubsgesetz (UrlG) ist der Urlaubsanspruch zwar grundsätzlich in dem Jahr zu verbrauchen, in dem er entstanden ist. Eine Ansammlung von Urlaubstagen ist jedoch zulässig. Gemäß § 4 Abs 5 UrlG verjährt der Urlaubsanspruch erst nach zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Arbeitnehmer haben also insgesamt drei Jahre Zeit, ihren Urlaub zu verbrauchen. Konsumierte Urlaubstage werden immer vom ältesten offenen Urlaub abgezogen. Der EuGH hat (bereits zum wiederholten Mal) entschieden, dass ein nicht konsumierter Urlaub nur dann verjähren kann, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer rechtzeitig vor der drohenden Urlaubsverjährung warnt und ihn auch in die Lage versetzt, diesen Urlaub zu konsumieren.
Und auch der Oberste Gerichtshof hat kürzlich entschieden, dass Urlaubsersatzansprüche eines bestimmten Ausmaßes nicht verjähren können, wenn der Arbeitgeber nicht dafür sorgt, dass der Urlaub rechtzeitig verbraucht wird.
Dies bedeutet, dass Personen, die ein Arbeitsverhältnis beendet haben, ohne den Urlaub früherer Jahre verbraucht zu haben, nun Chancen auf späte Ersatzzahlungen haben. Der Oberste Gerichtshof gab damit einem gekündigten Wildhüter Recht.
Der erfolgreiche Kläger war seit 2003 als Wildhüter und später auch als Gutsverwalter angestellt. Er war fast ständig sieben Tage die Woche im Einsatz und verbrauchte von 444 Urlaubstagen, die ihm zugestanden wären, nur 121. Obwohl ihm die Freizeit stets gewährt wurde, wenn er sie beanspruchte, sah er mangels qualifizierter Vertretung keine Möglichkeit, sich mehr zu absentieren, ohne den Gutsbetrieb zu gefährden.
Als er Ende 2020 gekündigt wurde, erhielt er Ersatz nur für jene Urlaubszeiten, die er in den letzten drei Jahren nicht genommen hatte: 9131,53 Euro. Das OLG Graz sprach dem Kläger hingegen Ersatz für weitere 180 offene Urlaubstage zu (EUR 24.260,89) und berief sich dabei auf die Entscheidung des EuGH (C-120/21). Auch der OGH bestätigte eine Aufforderungs- und Hinweis“obliegenheit“ des Arbeitgebers.
Der Erstbeklagte hatte den Kläger weder dazu aufgefordert, seinen Urlaub zu verbrauchen, noch ihn auf die drohende Verjährung hingewiesen und damit gegen ihre vom EuGH nunmehr festgelegte Verpflichtung verstoßen, dafür zu sorgen, dass der Kläger seinen Jahresurlaub tatsächlich in Anspruch nimmt.
Dies steht einer Verjährung des unionsrechtlich gesicherten Urlaubsanspruchs nach Art 7 Abs 1 der Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG entgegen. Der unionsrechtlich gesicherte Jahresurlaub beträgt 4 Wochen. Der darüber hinausgehende Urlaubsanspruch nach UrlG unterlag der Verjährung. Dem Kläger wurden sohin insgesamt 33.392,42 EUR netto sA an Urlaubsersatzleistung zugesprochen.
Diese Warnpflicht wird nun – entgegen der Entscheidung des OGH vom 29.08.2019 zu 8 ObA 62/18b – auch den Arbeitgeber in Fällen von Scheinselbständigkeit treffen, was auch dort zur Unverjährbarkeit des unionsrechtlich Urlaubs(ersatz)anspruches führt.
In jedem Fall ist Arbeitgebern anzuraten, ihre Arbeitnehmer zeitgerecht zum Verbrauch des Urlaubs aufzufordern, über die Verjährung aufzuklären und dies zu dokumentieren.