Gemäß § 588 Abs 1 ABGB ist ein Erbe oder Vermächtnisnehmer hinsichtlich der ihm zugedachten Zuwendung kein fähiger Zeuge. Ebenso wenig sein Ehegatte, eingetragener Partner oder Lebensgefährte, seine Eltern, Kinder, Geschwister sowie die Eltern, Kinder und Geschwister des Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten des Erben oder Vermächtnisnehmers.1
Soweit so unproblematisch. Doch wie steht es nun um die Mitarbeiter eines bedachten Anwalts, wenn diese bei der Errichtung eines Testaments als Zeuge fungieren sollen?
Eine Antwort findet sich, wenn man im Gesetz ein Stück weiterliest. § 588 Abs 2 ABGB geht von der Zeugnisunfähigkeit aus, wenn ein bestimmtes anderes Naheverhältnis vorliegt. Zeugnisunfähig sind also auch gesetzliche Vertreter, Vorsorgebevollmächtigte, vertretungsbefugte Organe, Gesellschafter, Machthaber und Dienstnehmer bedachter Personen oder bedachter rechtsfähiger Gesellschaften (§ 588 Abs 2 ABGB).2
Die Dienstnehmer scheiden demnach seit 01.01.2017 als fähige Zeugen aus, während bis 01.01.2017 ein Anstellungsverhältnis keinen Befangenheitsgrund iSd § 594 aF ABGB darstellte, selbst wenn ein starkes wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis gegeben war.3
Diese (neue) Regelung hat zur Folge, dass bei letztwilligen Verfügungen zugunsten natürlicher Personen (bspw. Anwälte) oder juristischen Personen relative Zeugnisunfähigkeit vorliegt. Relative Zeugnisunfähigkeit bedeutet, dass die genannten Personen Anordnungen zugunsten anderer Personen gültig bezeugen können, weswegen es zur Teilwirksamkeit der letztwilligen Verfügung kommen kann.
Dabei ist zu beachten, dass ein formal gültiger Teil des Testaments (zB ein negatives Testament) uU bei Ungültigkeit der anderen Verfügung nicht mehr dem Willen des Erblassers entspricht.4
Es ist entscheidend zu differenzieren, wer nun unter den Dienstnehmerbegriff des § 588 Abs 2 ABGB fällt. Bei Mitarbeitern eines Anwalts kann es sich beispielswiese um Konzipienten, Sekretariatsangestellte oder aber studentische Mitarbeiter handeln, welche alle einen unterschiedlichen Vertrag haben können.
Dienstnehmer iSd § 588 Abs 2 ist jedenfalls, wer Dienste in persönlicher Abhängigkeit aufgrund eines echten Dienstvertrages zu leisten hat. Für dessen Vorliegen sprechen insb Weisungsgebundenheit des Dienstnehmers, persönliche, auf Zeit abgestellte Arbeitspflicht und Fremdbestimmtheit der Arbeit.
In der Literatur wird von Tschugguel geprüft, ob der Begriff des Dienstnehmers iSd § 588 Abs 2 ABGB aus teleologischen Gründen weiter ausgelegt werden sollte, sodass auch der freie Dienstnehmer erfasst wird, oder ob die Bestimmung vielleicht sogar analog auf den Werkunternehmer anzuwenden ist. Dieser Ansatz wird damit begründet, dass auch in diesen Fällen immerhin eine vergleichbare wirtschaftliche Abhängigkeit vorliegt, die die Objektivität als Testamentszeuge möglicherweise gleichermaßen in Frage stellen könnte.
Tschugguel kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass der wesentliche Aspekt, aus dem sich die Befangenheit des Dienstnehmers ergibt, in seiner persönlichen Abhängigkeit und Eingebundenheit in ein betriebliches Weisungsgefüge liegt. Eine bloße wirtschaftliche Abhängigkeit, wie sie bei einem freien Dienstvertrag oder Werkvertrag gegeben ist, ist mit der intensiven persönlichen Verbundenheit des echten Dienstnehmers zu seinem Dienstgeber daher nicht vergleichbar. Der Dienstnehmerbegriff des § 588 Abs 2 ABGB ist daher eng auszulegen.5
Daraus kann geschlossen werden, dass ein Konzipient wohl als Dienstnehmer des Rechtsanwaltes iSd § 588 Abs 2 ABGB zu qualifizieren ist, ein studentischer Mitarbeiter auf Werkvertragsbasis oder ein Mitarbeiter mit einem freien Dienstvertrag hingegen nicht. Ob Personen, die für einen testamentarisch begünstigten Anwalt tätig sind, fähige Testamentszeugen sein können, hängt folglich von ihren jeweiligen Verträgen ab.
Quellen:
1 Nemeth in Schwimann/Neumayr (Hrsg), ABGB Taschenkommentar5 (2020) zu § 588 ABGB Rz 2
2 J. Reich-Rohrwig, Erbrecht, 2. Aufl. (2020), 6.2.2.Fremdhändiges Testament Seite 96f
3 Mondel/Knechtel in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.0 4 § 588 Rz 4 (Stand 1.2.2020, rdb.at)
4 Nemeth in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar Band 45 (2018) § 588 ABGB Rz 5
5 Tschugguel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg), Großkommentar zum ABGB – Klang-Kommentar – §§ 552-646 ABGB Erbrecht II3 (2017) zu § 594 aF, § 588 nF ABGB Rz 17