Seit dem Zivilrechtsänderungsgesetz 2004 besteht die Möglichkeit gemäß § 364 Abs 3 ABGB auf Unterlassung des Entzugs von Licht durch Bäume des Nachbarn (sog. Immission) zu klagen. Hierfür hat der OGH bestimmte Kriterien entwickelt. Bislang judizierte der er, dass das Unterlassungsbegehren gemäß § 364 Abs 2 ABGB nicht gerechtfertigt sei, wenn der Betroffene beim Erwerb der Liegenschaft bereits wusste, dass diese von einer Immission belastet ist. Der Käufer einer solchen Liegenschaft handle dann nämlich auf eigene Gefahr und müsse die Beeinträchtigung durch die Immission hinnehmen (RIS Justiz RS0112502). Bei einer ähnlichen Sachlage entschied der OGH erst kürzlich anders.
Im konkreten Fall klagte ein Grundstückseigentümer seine Nachbarin auf Unterlassung des Entzuges von Licht gemäß § 364 Abs 3 ABGB. Grund dafür war die 37 Meter lange Fichtenhecke seiner Nachbarin unmittelbar an der Grundstücksgrenze. Die 12 bis 15 m hohe Hecke, bestehend aus 70 Bäumen, wurde im Jahr 1991 in einem Abstand von 50 cm angepflanzt. Der Kläger erwarb die Liegenschaft im Jahr 2010. Dort, wo das Grundstück des Klägers an die Fichtenhecke angrenzt, befindet sich eine 5 m lange Rasenfläche, die an ein zu Wohnzwecken vermietetes Reihenhaus anschließt.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil und wies das Klagebegehren ab, weil sich nach herrschender Rechtsprechung ein neu zugezogener Nachbar mit den vorgefundenen örtlichen Verhältnissen abfinden müsse. Für den Kläger sei im Jahr 2010 absehbar gewesen, dass die Beklagte ihre Bäume künftig auch unbehandelt weiter wachsen lassen werde.
Der OGH führte in seiner Entscheidung über die ordentliche Revision zu den allgemeinen Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruches nach § 364 Abs 3 ABGB aus, dass für dessen Zulässigkeit eine unzumutbare Beeinträchtigung durch den Entzug von Licht vorliegen müsse. Ob der Entzug eine unzumutbare Beeinträchtigung darstelle, sei anhand einer Interessensabwägung zu entscheiden. Hierfür müssen verschiedene Kriterien berücksichtigt werden (zB die Lage der beeinträchtigen Fläche und deren beeinträchtigte Nutzung). Weiters führte der OGH aus, dass ein zugezogener Nachbar sich grundsätzlich mit den vorliegenden örtlichen Verhältnissen abfinden müsse – wobei nicht auf seinen subjektiven Kenntnisstand, sondern auf die Erkennbarkeit des Zustandes abzustellen sei.
Der OGH wägte die Interessen dementsprechend ab und folgerte, dass die streitgegenständliche Fichtenhecke in einer für eine Wohngegend völlig untypischen Weise angepflanzt worden sei. Insbesondere aufgrund der engen Anpflanzung und ihrer immensen Höhe der Bäume werde das Grundstück des Klägers massiv beschattet. Konkret liege ein Extremfall vor, weshalb sich die Frage erübrige, wann und in welchem Ausmaß Licht entzogen werde. Dasselbe gelte für den Umstand, dass der Kläger bereits bei Erwerb der Liegenschaft vom exorbitanten Schattenwurf hätte wissen müssen. Bei einer solchen Hecke liege die massive Beeinträchtigung der Benutzbarkeit der Liegenschaft auf der Hand. Der OGH änderte die Entscheidung des Berufungsgerichts und gab dem Klagebegehren statt.
Quellen: Koziol/Welser, Bürgerliches Recht Band I Rz 895 ff.
RIS Justiz RS0112502
OGH 27.02.2018, 9 Ob 84/17v