Der EGMR beurteilte 2017 folgenden Fall1: Ein rumänischer Arbeitgeber hatte seinem Arbeitnehmer gekündigt, da dieser einen Messenger-Account – welcher eingerichtet wurde um Anfragen von Kunden zu beantworten – auch für private Konversationen mit seiner Verlobten und seinem Bruder genutzt hatte. Damit verstieß der Arbeitnehmer gegen betriebsinterne Vorgaben. Der Arbeitgeber überwachte und zeichnete die privaten Kommunikationen auf und beendete das Dienstverhältnis.
Die rumänischen Gerichte bestätigten die Wirksamkeit der Kündigung. Der Arbeitgeber habe sich bei der Kündigung an die arbeitsrechtlichen Vorschriften gehalten. Der Arbeitnehmer sei ordnungsgemäß über die internen Bestimmungen informiert worden, nämlich, dass Ressourcen der Firma nicht für private Zwecke genutzt werden dürfen.
Der Arbeitnehmer sah sich in Artikel 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) verletzt. Anfang 2016 verneinte der EGMR eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens und der Korrespondenz. Der Arbeitnehmer beantragte anschließend die Verweisung an die Große Kammer des EGMR, mit der Begründung, die inländischen rumänischen Gerichte hätten es versäumt, ihn in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens zu schützen.
Die Große Kammer stellte eine Verletzung von Art 8 EMRK fest. Der EGMR nannte hierbei unter anderem folgende Kriterien, die bei der Frage, ob die Überwachung der Kommunikation verhältnismäßig war, zu berücksichtigen sind:
- Eine Weisung des Arbeitgebers darf das Privatleben des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz nicht völlig ausschließen.
- Die nationalen Gerichte müssen die Grundrechte der Arbeitnehmer schützen, indem die Interessen unter Berücksichtigung der relevanten Umstände abgewogen werden.
So rügt der EGMR im gegenständlichen Urteil, dass die rumänischen Gerichte nicht geprüft hätten,
- ob der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber über die Möglichkeit, die Art und das Ausmaß von Kontrollen vorab informiert wurde;
- ob ein berechtigter Grund für die Kontrollmaßnahmen vorlag und ob nicht mildere Überwachungsmethoden möglich gewesen wären;
- die Schwere des Eingriffs in Art 8 EMRK und die Berücksichtigung der Konsequenzen der Überwachung.
FAZIT:
Solange die Überwachung der Internetkommunikation eines Arbeitnehmers verhältnismäßig ist, ist sie grundsätzlich auch zulässig. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass der Arbeitnehmer vorab über die Möglichkeit, die Art und das Ausmaß von der Kontrolle informiert wurde. Ebenfalls ist darauf Bedacht zu nehmen, ob es nicht auch mildere Überwachungsmethoden gibt. Überdies werden zukünftig auch verstärkt die Vorgaben des Datenschutzgesetzes und erforderliche Einverständniserklärungen zu solchen Überwachungsmaßnahmen zu beachten sein.
1EGMR, Urteil vom 05.09.2017 (61496/08, Barbulescu vs Romania)