Mietzinsbefreiung bei behördlicher Schließung – COVID Pandemie

Mietzinsbefreiung bei behördlicher Schließung – COVID Pandemie

Im Zuge der Corona Pandemie stellte sich zunehmend die Frage, ob die Mieter eines Geschäftslokals trotz behördlicher Maßnahmen (Betretungsverbote) den Bestandzins für diesen Zeitraum zahlen müssen. Der Oberste Gerichtshof hat nunmehr in seiner Entscheidung 3 Ob 78/21y vom 17.11.2021 über die Rechtsfolgen pandemiebedingter Betretungsverbote im Mietrecht abgesprochen und bestätigt, dass der Bestandzins unter den nachfolgend näher dargestellten Umständen nicht zu zahlen ist, selbst wenn es einen gerichtlichen Vergleich zur Zahlungspflicht gibt.

Im vorliegenden Fall ist der Beklagte Eigentümer eines Hauses, in dem sich ein Geschäftslokal befindet. Die Klägerin ist die Mieterin dieses Objekts. Das Bestandverhältnis unterliegt dem MRG. Vereinbarte Verwendungszwecke sind „Sonnenstudio und artverwandte Tätigkeiten samt arttypischen Nebenbereichen (…)“.

Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom Jänner 2020 war die Mieterin verpflichtet, den vereinbarten Mietzins zuzüglich Betriebs- und Heizkostenakonto jeweils bis zum Zehnten eines Monats zu zahlen, und für den Fall des auch nur teilweisen Zahlungsverzugs im Zeitraum Februar 2020 bis Februar 2021 das Bestandobjekt binnen eines Monats ab Zahlungsverzug unter Verzicht auf jeden Räumungsaufschub zu räumen. Nach Ankündigung der behördlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie schaltete die Klägerin Mitte März 2020 im Geschäftslokal insb. Heizung und Strom sowie sämtliche Geräte zur Gänze ab; sie hielt sich in der Folge an die Ausgangsbeschränkungen und war im April 2020 nicht im Geschäftslokal. Für April 2020 zahlte die Klägerin weder Mietzins noch Betriebs- oder Heizkosten. Der Beklagte beantragte daraufhin die Exekution zur Räumung des Geschäftslokals.

Das Erstgericht bewilligte am 18. Mai 2020 die allein auf ausständige Mietzins- und Betriebskostenzahlung für April 2020 gestützte Räumungsexekution.

Die Klägerin begehrte daraufhin die Feststellung, dass sie im Zeitraum 1. April bis 30. April 2020 von der Entrichtung des Mietzinses zur Gänze befreit gewesen und „insoweit der Räumungsvergleich unwirksam“ sei.

Der Beklagte wandte zusammengefasst ein, die Klägerin habe auf die Bewilligung der Räumungsexekution nicht reagiert; aufgrund des Vergleichs, zu welchem sich die Klägerin Jänner 2020 verpflichtete, liege eine „abstrakte Räumungsverpflichtung“ vor.

Das Erstgericht gab der Klage statt und führte rechtlich aus, Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts aufgrund eines behördlich verfügten Verbots sei eine solche im Sinn des § 1104 ABGB. Die Klägerin sei daher mit der Miete für April 2020 nicht säumig und die Exekutionsführung aus diesem Grund nicht zulässig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts.

Der Oberste Gerichtshof führte nunmehr in der Entscheidung über die Revision des Beklagten aus, dass im hier maßgeblichen Zeitraum 1. bis 30. April 2020 für das Geschäftslokal der Klägerin ein uneingeschränktes behördliches Betretungsverbot für ihren Kundenbereich galt, weil dieses in der betreffenden Verordnung unter keinen Ausnahmetatbestand zu subsumieren war.

Die überwiegende Auffassung im Schrifttum, nach der die COVID-19-Pandemie mit dem deshalb angeordneten Betretungsverbot grundsätzlich einen Anwendungsfall des § 1104 ABGB bilden kann, hat nach Ansicht des erkennenden Senats überzeugende Argumente für sich. Zu den in § 1104 ABGB (ua) ausdrücklich genannten Elementarereignissen gehört die „Seuche“, dessen Definition unzweifelhaft auf COVID-19 zutrifft. Das Betretungsverbot, welches aufgrund der Schließungsverordnung für das fragliche Bestandobjekt galt, führte dazu, dass das Geschäftslokal in diesem Zeitraum „gar nicht gebraucht oder benutzt werden“ konnte. Dies erfüllt die Kriterien des § 1104 ABGB und entspricht auch dem von der Rechtsprechung. bisher vertretenen Verständnis zu § 1104 ABGB, nach dem auch aus Elementarereignissen resultierende hoheitliche Eingriffe einschlägig sein können. Die gesetzlich unmittelbar angeordnete Rechtsfolge aus §1104 ABGB ist, dass „kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten (ist)“.

Rechtsfragen, die sich aus einer zumindest teilweisen Nutzung des Bestandobjekts ergeben könnten, stellten sich nicht, weil die eingeschränkte Verwendung, etwa für administrative Tätigkeiten oder zu Lagerzwecken, im konkreten Fall nicht in Betracht kam.

Diesem unmittelbar aus dem Gesetz ausdrücklich folgenden Ergebnis einer „Erlassung des Zinses“ wird im Schrifttum vereinzelt entgegengehalten, dass „§ 1104 ABGB (…) insofern lückenhaft (sei), als er den Fall nicht bedenkt, dass die dort geregelten außerordentlichen Zufälle ausnahmsweise nicht in die physische Substanz des Bestandobjekts eingreifen, und dass der Bestandgeber seit Entstehung des Mieterschutzes keine Möglichkeit hat, unbefristete Verhältnisse ohne Vorliegen eines Grundes gemäß § 30 MRG zu beendigen“

Dieser Ansicht ist nach Meinung des Obersten Gerichtshofs schon deshalb nicht zu folgen, weil § 1104 ABGB den Fall, dass das Elementarereignis nicht in die physische Substanz des Bestandobjekts eingreift, sehr wohl bedenkt und sogar ausdrücklich als Anwendungsbeispiel nennt, wirkt sich doch die namentlich angeführte Seuche geradezu typischerweise nicht auf die Substanz des Bestandobjekts aus. § 1104 ABGB ist betreffend die angeordnete Rechtsfolge „einer Erlassung des Zinses“ auch nicht lückenhaft, sondern unmissverständlich deutlich.

Auf die – im Schrifttum unterschiedlich beantwortete – Frage, ob der Bestandnehmer trotz Anwendbarkeit des § 1104 ABGB verpflichtet sein könnte, Betriebskosten zu zahlen, wurde vom OGH nicht weiter eingegangen, weil im vorliegenden Fall bereits alle Geräte sowie Strom und Heizung abgeschaltet waren. Außerdem waren im Vergleich nur Heiz- und Betriebskostenakonti tituliert, und auf einen daraus resultierenden Zahlungsverzug hat der Beklagte seinen Exekutionsantrag nicht gestützt.

Im Ergebnis erweist sich die allein auf die unterbliebene Zahlung des Bestandzinses für April 2020 gestützte Räumungsexekution als unzulässig, weil im Bewilligungszeitpunkt der dafür notwendige Zahlungsverzug nicht vorlag.

Quelle: OGH 3 Ob 78/21y

weitere spannende Artikel zu diesem Thema

Generative KI

Software Engineering und Geschäftsanwendungen im Wandel. Die transformative Kraft der generativen KI ist vergleichbar mit den Auswirkungen der öffentlichen Einführung des Internets im Jahr 1993,

Read More »
DISCLAIMER
Diese Information wird unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Für die darin enthaltenen Inhalte wird weder für Vollständigkeit noch Richtigkeit eine Gewährleistung oder Haftung übernommen. Eine individuelle Beratung wird hiermit nicht ersetzt.