Die Behandlung von Stimmverboten in der Generalversammlung der GmbH

Die Behandlung von Stimmverboten in der Generalversammlung der GmbH

Gemäß § 39 Abs 4 GmbHG können einzelne Gesellschafter bei bestimmten Beschlussfassungen Stimmverboten unterliegen. So wird ein Gesellschafter etwa bei Beschlüssen, durch die dieser von einer Verpflichtung befreit oder durch die diesem ein Vorteil zugewendet werden soll, das Stimmrecht entzogen. Demnach darf ein Gesellschafter zum Beispiel bei der Beschlussfassung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den betreffenden Gesellschafter nicht mitwirken. Damit trägt das Gesetz dem Interessenskonflikt, der in solchen Situationen offenkundig ist, Rechnung.

In der Praxis stellt sich – insbesondere bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern – häufig die Frage, wie Beschlüsse zu werten sind, bei denen Gesellschafter mitgestimmt haben, die eigentlich einem Stimmverbot unterliegen. Dies hat auch Bedeutung für die Wahl des Rechtsbehelfs, mit dem gegen einen Beschluss vorgegangen wird. Eine entscheidende Rolle kommt dabei dem Vorsitzenden der Generalversammlung zu.

Die Judikatur

In älteren Entscheidungen vertrat der OGH die Ansicht, dass eine entgegen einem Stimmrechtsverbot abgegebene Stimme grundsätzlich gültig sei, der Beschluss jedoch angefochten werden könne (vgl OGH, SZ 58/88).

Später wich der OGH von dieser Ansicht ab und sprach in zwei Entscheidungen (4 Ob 7/92 und 9 ObA 358/98g) aus, dass der Beschluss mit der Mehrheit der übrigen Gesellschafter gefasst werden kann und derartige Beschlüsse nicht zu beanstanden sind.

Es verwundert, dass der OGH in einer Folgeentscheidung (6 Ob 53/06x) wieder die alte Judikaturlinie verfolgte. Fantur führt hierzu überzeugend aus, dass die unerwartete Umkehr nur darauf zurückzuführen sei, dass die Entscheidungen 4 Ob 7/92 und 9 ObA 358/98g übersehen wurden. Dies begründet er damit, dass diese – im Gegensatz zur ursprünglichen Entscheidung – nicht erwähnt wurden und auch auf eine veraltete Auflage eines Kommentars Bezug genommen wurde, die in der Neuauflage die Ansicht des OGH in den Entscheidungen 4 Ob 7/92 und 9 ObA 358/98g begrüßt (Fantur in GES 2018/6, 269).

Auch die neuesten Entscheidungen lassen Spielraum zur Interpretation:

In 6 Ob 88/13d führt der OGH aus:

„Hat ein vom Stimmrecht ausgeschlossener Gesellschafter an einer Beschlussfassung in der Generalversammlung der Gesellschaft mitgewirkt und wurde dessen Stimme bei der Beschlussfassung mitberücksichtigt, ist die Stimmabgabe nicht ungültig, sondern liegt ein anfechtbarer Beschluss vor“.

In 6 Ob 213/16s führt der OGH aus:

„Nach ständiger Rechtsprechung liegt, wenn ein vom Stimmrecht ausgeschlossener Gesellschafter an einer Beschlussfassung in der Generalversammlung der Gesellschaft mitwirkt und dessen Stimme bei der Beschlussfassung mitberücksichtigt wurde, ein anfechtbarer Beschluss vor.“

Nach Fantur kann die „Mitberücksichtigung“ einer Stimme nur durch einen Vorsitzenden erfolgen. Wenn es keinen Vorsitzenden gebe, könne weder „etwas mitberücksichtigt“, noch etwas „nicht mitberücksichtigt“ werden (Fantur in GES 2018/6, 270). Gibt es daher keinen Vorsitzenden, sind die entgegen dem Stimmverbot abgegebenen Stimmen nach Ansicht von Fantur unwirksam. Zählt der Vorsitzende diese aber dennoch mit und stellt diese entsprechend fest, sind diese vorläufig wirksam.

Literatur

Wenngleich die Rechtsansicht von Fantur durchaus einleuchtet, soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden , dass in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden.

So führt beispielsweise Enzinger aus, dass ein Vorsitzender nicht einmal dann befugt sei, einen Gesellschafter von der Abstimmung auszuschließen, wenn das Stimmverbot evident sei (Enzinger in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 29 Rz 13).Die Folge

Fazit und Praxistipp

Je nachdem, welcher Ansicht gefolgt wird, gelangt man zu unterschiedlichen Ergebnissen und sind dementsprechend auch unterschiedliche Rechtsbehelfe zu ergreifen.

Folgt man der Ansicht Fanturs ist ein entgegen einem Stimmverbot gefasster Beschluss, sofern keine Beschlussfeststellung durch den Vorsitzenden erfolgt oder es überhaupt keinen Vorsitzenden gibt, unwirksam. Die Unwirksamkeit müsste mittels Feststellungsklage geltend gemacht werden. Selbstverständlich wäre auch eine positive Beschlussfeststellungsklage möglich, mit der das Zustandekommen eines Beschlusses, der bei Mitzählen einer an sich ungültigen Stimme nicht gefasst worden wäre, ohne diese jedoch schon, festgestellt werden kann.

Vertritt man die gegenteilige Ansicht, wäre die – unzulässigerweise abgegebene – Stimme auch im Falle einer Nichtfeststellung des Beschlussergebnisses durch den Vorsitzenden oder in einer Generalversammlung ohne Vorsitzenden mitzuzählen und der Beschluss daher wirksam und bloß anfechtbar. Es bedürfte daher einer Anfechtungsklage, um diesem die rechtliche Existenz abzusprechen. Ein der Anfechtungsklage stattgebendes Urteil hätte insofern rechtsgestaltende (und nicht bloß feststellende) Wirkung.

Einigkeit herrscht, wenn eine Feststellung des Beschlussergebnisses durch einen Vorsitzenden erfolgt. Der Beschluss ist vorerst gültig und muss angefochten werden.

Ausdrücklich hinzuweisen ist jedoch darauf, dass bei dieser Darstellung unerörtert blieb, ob die Beschlussfeststellung im Falle einer rechtsmissbräuchlichen Vorsitzführung auch absolut nichtig sein kann, sodass Feststellungsklage erhoben werden müsste.

Im Hinblick darauf und auch im Hinblick auf die Uneinigkeit in Lehre und (möglicherweise auch) Judikatur empfiehlt es sich daher im Falle der Klagseinbringung auf die Formulierung eines Eventualbegehrens zurückzugreifen.

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