Im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) gibt es verschiedene Arten der Berechnung des Mietzinses. Bei bestimmten Wohnungen erfolgt die Berechnung des Mietzinses nach der Richtwertmethode, man spricht in diesem Zusammenhang vom sogenannten Richtwertmietzins.
Der Richtwertmietzins wird gemäß § 16 Abs 2 MRG durch Zu- und Abschläge von dem im Richtwertgesetz (RichtWG) festgesetzten Richtwert ermittelt. In diesem Zusammenhang spielt beispielsweise die Ausstattung der Wohnung, der Erhaltungszustand des Hauses, aber auch die Wohnumgebung des Hauses eine Rolle. Gerade die letztgenannte Wohnumgebung des Hauses stand jüngst im Zentrum einer oberstgerichtlichen Entscheidung (5 Ob 198/18f).
Ein Zuschlag für die Wohnumgebung, kurz „Lagezuschlag“ (§ 16 Abs 2 Z 3 MRG), ist gemäß § 16 Abs 4 MRG nur zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage. In Gebieten, in denen der überwiegende (mehr als 50%) Gebäudebestand in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und zum Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine Wohnungen der Kategorie D aufgewiesen hat, ist aufgrund des Gesetzes höchstens von einer durchschnittlichen Lage auszugehen (§ 2 Abs 3 RichtWG). In diesen sogenannten „Gründerzeitvierteln“ (1870-1917) gebührt daher keinesfalls ein Lagezuschlag.
Der Oberste Gerichtshof hatte sich in einer Entscheidung mit einer Wohnung in Wien-Margareten auseinanderzusetzen. Die Mieterin hatte den Richtwert überprüfen lassen, dies unter anderem wegen des vom Vermieter verrechneten Lagezuschlags. Es galt daher zunächst abzuklären, ob die Wohnung in einem Gründerzeitviertel liegt. Laut eines im Prozess erstatteten Gutachtens waren von 79 Gebäuden im betreffenden Gebiet 36 aus der Gründerzeit (1870 -1917). 11 Häuser wurden nach 1917 errichtet, 32 der Bauten stammten jedoch aus der Zeit vor 1870 und waren damit noch älter als die Gründerzeithäuser.
Weil die Gründerzeithäuser daher nur 46% (und nicht den von § 2 Abs 3 RichtWG verlangten überwiegenden Teil, mehr als 50%) der Gebäude im maßgeblichen Gebiet ausmachten, stellte sich die Frage, ob jene Häuser, die vor 1870 errichtet wurden, zu den aus der Gründerzeit stammenden Gebäuden hinzuzurechnen sind. Dies hätte zur Folge, dass ein Lagezuschlag nicht begehrt werden dürfte.
Das Erstgericht bewertete das Grätzel nicht als Gründerzeitviertel. Das Rekursgericht hingegen gab der Mieterin Recht und vertrat die Ansicht, dass ein Lagezuschlag unzulässig sei, weil 80 % des Gebäudebestands aus der Zeit vor 1917 stamme und die Bausubstanz vor 1870 noch schlechter sei als jene zwischen 1870 und 1917.
Der Oberste Gerichtshof schloss sich jedoch der Auffassung des Erstgerichtes an. In der Begründung greift er auf grundlegende Prinzipien zurück und argumentiert mit den Regelungen zur Auslegung von gesetzlichen Bestimmungen. Grenze der Auslegung von Gesetzesbestimmungen sei immer der „weitestmögliche Wortsinn“. Dieser sei vom Rekursgericht überschritten worden. Die Ausdehnung der Regelung für Gründerzeitviertel „auf einen überwiegenden Gebäudebestand, der vor 1917 errichtet wurde, verstoße gegen den Wortlaut des Gesetzes“.
Ob im Anlassfall nun ein Lagezuschlag eingehoben werden darf oder nicht, ist dennoch noch nicht abschließend geklärt. Das Rekursgericht muss nun prüfen, ob es sich im konkreten Fall um eine „überdurchschnittliche Lage“ handelt oder nicht.
Den Vermietern kommt dies gelegen, hätte doch der Ausschluss des Lagezuschlags für vor 1917 errichtete Gebäude einen herben Rückschlag bedeutet. Nun heißt es jedoch Aufatmen – eine Ausdehnung der Regelung zu den Lagezuschlägen in Gründerzeitvierteln wurde eine Absage erteilt.