In Österreich gilt für Wohnungen im Vollanwendungsbereich des MRG das sogenannte Modell des Richtwertmietzinses. Hierbei wird anhand des „individuellen Wohnwerts“ der subjektive Wert einer Wohnung ermittelt. Das Berechnungsmodell ist zweistufig und basiert zum einen auf den Grundkosten der Wohnung – welche vor Gesetzeseinführung für jedes Bundesland eigens ermittelt wurden – und zum anderen auf Zu- und Abschlägen iSd § 2 RichtWG. Durch die Zu- und Abschläge erhöht und/oder verringert sich der Mietzins je nach Abweichung von der sogenannten „mietrechtliche Normwohnung“.
Der wohl bekannteste Zuschlag ist der sogenannte „Lagezuschlag“. Jahrzehnte lang wurde der Lagezuschlag gemäß § 16 Abs 3 MRG anhand eines Vergleichs der Grundkosten für die konkrete Mietwohnung mit dem Richtwert des jeweiligen Bundeslandes ermittelt. Ergab sich rechnerisch ein Zuschlag, ging man davon aus, dass der Lagezuschlag geltend gemacht werden konnte. Dieser Praxis wurde nun mit der Entscheidung des OGH zu 5 Ob 74/17v ein Ende gesetzt.
Der OGH führt in seiner Entscheidung aus:
„Zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaften als ‚besser als durchschnittlich‘ zu qualifizieren ist, bedarf es eines wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (Wohnumgebungen). Dabei hat der Vermieter den Nachweis zu erbringen, dass es konkrete Anhaltspunkte (Wohnumgebungsfaktoren) gibt, die die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage erlauben.“ Demzufolge sind für die Ermittlung der durchschnittlichen bzw überdurchschnittlichen Lage die „allgemeine Verkehrsauffassung“ und die „Erfahrung des täglichen Lebens“ maßgeblich und eben nicht die Grundkosten für die konkrete Wohnung.
In seiner Entscheidung hatte der OGH zu beurteilen, ob ein Lagezuschlag im 5. Wiener Gemeindebezirk gerechtfertigt sei und führte dazu aus, dass die Wohnung mit jenen innerstädtischen Gebieten zu vergleichen sei, welche typischerweise über geschlossene und mehrstöckige Bauwerke verfügen. Für solche Gebiete seien Nahversorgungsmöglichkeiten sowie die Anbindung an den öffentlichen Verkehr üblich und folglich sei die Geltendmachung des Lagezuschlags nicht gerechtfertigt.
Vonkilch kritisiert diese Entscheidung, insbesondere wegen der uneinheitlichen Anwendung der Interpretationsmethoden durch den OGH. Er führt unter anderem aus, dass der Verweis auf die allgemeine Verkehrsauffassung und die Erfahrung des täglichen Lebens nicht ausschließe, dass auf die Grundpreisverhältnisse abgestellt werde. Auch sei die Entscheidung widersprüchlich.
Die Mietervereinigung begrüßte diese Entscheidung, da der Lagezuschlag ein „Preistreiber“ für Mietzinse sei und der OGH diesem nun den Riegel vorgeschoben habe.