Wandlung trotz Ausschluss in AGB auch für Unternehmer zulässig (1 Ob 106/13i)
Mit Abweisung der Revisionen der Beklagten und der Nebenintervenientin bestätigt der OGH in einer jüngsten Entscheidung die von JMKS vertretene Rechtsansicht, wonach der vertragliche Ausschluss des Wandlungsrechtes im Unternehmergeschäft unter bestimmten Umständen sittenwidrig sein kann. Der OGH bestätigt damit das Klagebegehren auf Rückzahlung des Kaufpreises für das klagsgegenständliche Fahrzeug unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der hierzu bestehenden Lehre zum Gewährleistungsrecht.
Sachverhalt:
Die Klägerin (eine österreichische Gemeinde) erwarb Anfang 2009 ein für sie speziell adaptiertes rund 1 Jahr altes Vorführfahrzeug eines deutschen Herstellers, welches bei der Gemeinde zur Schneeräumung zum Einsatz kommen sollte. Das Fahrzeug wies von Anfang an ein extrem ungewöhnliches Fahrverhalten aus, welches aufgrund von Stößen und Vibrationen dazu führte, dass ein längerer Fahrteinsatz für die Bediensteten der Gemeinde unzumutbar war.
Der Mangel wurde umgehend angezeigt und bemühte sich der österreichische Verkäufer durch Adaptionen an der Federung diesen zu beheben. Innerhalb der vertraglich vereinbarten Gewährleistungsfrist von bloß 12 Monaten gelang die Verbesserung jedoch nicht. Im Einvernehmen wurde die Gewährleistung um weitere drei Monate unter der ausdrücklichen Auflage der nunmehr rasch zu erfolgenden Verbesserung verlängert. Auch innerhalb dieser Frist gelang es der Verkäuferin aufgrund der Lieferung falscher Ersatzteile durch die deutsche Herstellerin nicht, das Fahrzeug zu reparieren. Erneut wurde die Gewährleistungsfrist um weitere drei Monate verlängert, scheiterte aber ein weiterer Verbesserungsversuch schon im Ansatz, da erneut die falschen Stoßdämpfer geliefert wurden.
Die Käuferin trat unter Setzung einer 14-tägigen Nachfrist – die ergebnislos verstrich – somit vom Kaufvertag zurück und forderte klagsweise den Kaufpreis zurück.
Im Prozess vor dem in den AGB der Verkäuferin vereinbarten Bezirksgericht Vöcklabruck wandte die Verkäuferin ein, dass laut ihren AGB die sekundären Gewährleistungsbehelfe der Preisminderung und der Wandlung ausdrücklich ausgeschlossen wurden. Hilfsweise wandte die Beklagte ein, dass gar kein Mangel am Fahrzeug vorliegen würde, der Mangel nicht rechtzeitig angezeigt wurde und jedenfalls als bloß geringfügiger Mangel nicht zur Wandlung berechtigen würde.
Das Bezirksgericht Vöcklabruck führte ein umfangreiches erstinstanzliches Verfahren durch, indem der hinzugezogene Sachverständige bestätigte, dass das Fahrverhalten des Fahrzeuges unzumutbar war und dieser Mangel bereits bei Übergabe vorlag. Auf ausdrücklichen Wunsch der Beklagten und der dem Streit beigetretenen deutschen Herstellerin als Nebenintervenientin wurde im Rahmen eines weiteren Sachverständigenbefundaufnahmetermins abgeklärt, ob der Austausch der nach Rücktritt vom Vertrag letztlich gelieferten richtigen Stoßdämpfer den Mangel beseitigen könnte. Hierbei ergab sich, dass durch den Austausch der Stoßdämpfer, welcher Kosten von lediglich € 358,00 verursachte, tatsächlich der Mangel behoben werden konnte.
Hierauf wies das Bezirksgericht Vöcklabruck das Klagebegehren ab und begründete seine Klagsabweisung damit, dass die Verkäuferin durchgehend verbesserungsbereit war, lediglich jedoch ohne ihr Verschulden durch die Lieferung falscher Stoßdämpfer an der Verbesserung gehindert wurde. Das BG Vöcklabruck kam zwar zum Schluss, dass die Dauer der verschiedenen erfolglosen Verbesserungsversuche insgesamt unzumutbar lange war, sowohl aufgrund des Ausschlusses des Wandlungsrechts in den AGB und aufgrund der leichten Behebbarkeit des Mangels das Wandlungsbegehren auf Rückzahlung des Kaufpreises von rund € 111.000,00 nicht zu Recht bestünde.
Gegen diese Entscheidung erhob die klagende Gemeinde Berufung an das LG Wels und gab das LG Wels der Berufung statt. Insbesondere erkannte das Landesgericht Wels zu Recht, dass die Frage eines allfälligen Verschuldens der verbesserungsverpflichteten Verkäuferin für die Beurteilung des Sachverhaltes im Rahmen der verschuldensunabhängigen Gewährleistung gänzlich irrelevant sei. Aufgrund der unzumutbar langen Dauer der gescheiterten Verbesserungsversuche durfte die Klägerin den technisch an sich verbesserbaren Mangel als rechtlich unverbesserbaren Mangel behandeln und konnte daher sich auf das Wandlungsrecht berufen. Der Ausschluss des Wandlungsrechtes in AGB zwischen Unternehmern ist dann nämlich sittenwidrig, wenn dadurch ein Mangel nicht mehr sanktioniert ist bzw die Verkäuferin die Verbesserung verweigert oder in einer unzumutbar langen Dauer nicht zu Wege bringt.
Die Revisionen der Beklagten und der Nebenintervenientin wurden nunmehr vom OGH für zulässig, jedoch nicht aber berechtigt erachtet. Der OGH sprach aus, dass zu der Frage, ob ein Wandlungsausschluss im Unternehmergeschäft sittenwidrig sein kann, keine Judikatur seit dem Gewährleistungsrechtsänderungsgesetz 2002 besteht. Daher wäre die aufgeworfene Rechtsfrage eine erhebliche im Sinne des § 502 ZPO, weshalb die Revisionen zulässig waren. Der OGH bestätigte jedoch ältere (vor dem Gewährleistungsrechtsänderungsgesetz 2002 ergangene) Judikatur, wonach auch im Unternehmergeschäft der Ausschluss des Wandlungsrechtes sittenwidrig sein kann, wenn dadurch ein Mangel dauerhaft oder unzumutbar lange nicht verbessert wird.
Der OGH begründete seine Entscheidung – bemerkenswerterweise – auch damit, dass der Anspruch auf klagsweise Durchsetzung der Verbesserung deswegen kein adäquates Mittel wäre, da ein hierüber abzuführendes Zivilverfahren letztlich so lange dauern würde, dass erneut der Käufer unzumutbar lange auf die Verbesserung warten müsste. Dies vor allem im konkreten Fall, handelte es sich doch bei dem Schneeräumfahrzeug um eines, welches in der Wintersaison dringend benötigt wurde und musste die Klägerin unmittelbar nach Wandlung des Kaufvertrages auch ein Ersatzfahrzeug anschaffen.
Der OGH hielt in seiner Entscheidung auch fest, dass die im Verhältnis zum Kaufpreis sehr niedrigen Reparaturkosten nicht dazu führen können, dass der Mangel als bloß geringfügiger eingestuft wird, welcher das Wandlungsrecht ex lege schon ausschließt. Der OGH hielt diesbezüglich fest, dass bei der Beurteilung der Schwere des Mangels nicht primär auf die Behebungskosten zu achten ist, sondern vielmehr auf die konkrete Beeinträchtigung, die durch den Mangel ausgelöst wird. Im gegenständlichen Fall beeinträchtigte der Mangel nach den Ausführung des Gutachters im erstinstanzlichen Verfahren die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeuges gravierend. Eine solche gravierende Beeinträchtigung kann aber – ungeachtet der Behebungskosten – niemals als geringfügiger Mangel qualifiziert werden. Diese Lösung erscheint sachgerecht. Der Verbesserungsberechtigte, dessen KFZ beispielsweise überhaupt nicht mehr fährt, kann die Ursache und die Behebungskosten für diesen Mangel in der Regel selbst gar nicht beurteilen. Scheitert nunmehr der Gewährleistungsverpflichtete an der Behebung des Mangels und kommt erst nach Wandlungserklärung im hierüber geführten streitigen Verfahren hervor, dass der Mangel durch den Tausch eines Relais um € 10,00 behoben werden könnte, befände sich ansonsten in einer völlig unklaren Situation, müsste er doch die Behebung des Mangels vor Wandlungserklärung durch einen Dritten (auf seine Kosten) abklären lassen, um der Gefahr des Einwandes, es handelte sich bloß um einen geringfügigen Mangel, zu entgehen.
Nach nunmehr beinahe 3 ½ Jahren ist somit rechtskräftig und höchstgerichtlich die Rechtsansicht der klagenden Gemeinde und ihrer Vertreterin, JMKS bestätigt.
Mag. Dominik Konlechner