Die Nachricht über einen Unfall eines Angehörigen kann gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Nach der aktuellen Rechtsprechung kann in derartigen Fällen ein Schmerzengeldanspruch (Schockschaden bzw Trauerschmerzengeld) gegen den Schädiger bestehen.
Aufgrund der Entscheidung des OGH zu 9 Ob 1/19s wird sich dieser Artikel mit den Themenkomplexen Schockschaden und Trauerschmerz von nahen Angehörigen auseinandersetzen.
Schockschaden
Nach ständiger Rechtsprechung gebührt nahen Angehörigen (z.B. Eltern, Kinder, Ehegatten, Lebensgefährte), die durch die Tötung oder schwere Körperverletzung ihres Angehörigen einen Schock oder eine sonstige als Krankheit zu bewertende psychische Beeinträchtigung (z.B. Depression) erleiden, ein eigenständiger Anspruch auf Schadenersatz wegen Körperverletzung gegenüber dem Schädiger.
Es macht dabei keinen Unterschied, ob der Angehörige selbst am Unfall beteiligt war oder die Tötung bzw schwere Verletzung seines Angehörigen unmittelbar miterleben musste, oder ob die Krankheit erst im Nachhinein durch die infolge der Tötung bzw schweren Verletzung ausgelöste psychische Belastung entwickelt wurde.
Dieser Anspruch setzt kein qualifiziertes Verschulden des Schädigers voraus, sondern gebührt auch, wenn dieser bloß leicht fahrlässig gehandelt hat oder aus Gefährdungshaftung haftet.
Schmerzengeldansprüche naher Angehörige für krankheitswertige Schockschäden kommen aber nicht nur im Fall des Todes oder schwerster körperlicher Verletzungen des Opfers in Betracht. Auch im Fall von psychischen Beeinträchtigungen des Opfers, die durch sexuellen Missbrauch (insbesondere während der Minderjährigkeit) entstehen, kann einem nahen Angehörigen Schmerzengeld für den Schockschaden zugesprochen werden, sofern die Tat und die Tatfolgen einen vergleichbar hohen Schweregrad erreichen. Dies wurde in der aktuellen Entscheidung des OGH zu 9 Ob 1/19s festgestellt.
Die Voraussetzungen für einen auf Verschuldenshaftung gestützten Anspruch auf Schockschadenersatz gründen in §§ 1293 ff iVm § 1325 ABGB. Schockschäden können jedoch nicht nur verschuldensabhängig ersetzt werden. Eine Haftung kann auch auf Basis bloßer Gefährdungshaftung bestehen.
Die Rechtsprechung verlangt für einen Schockschaden ein konkretes akutes Krankheitsbild. Allein die Angst vor künftigen psychischen Folgen ist für die Behauptung eines Schockschadens nicht ausreichend.
Für einen Schockschaden ist also eine massive Einwirkung in die psychische Sphäre und nicht nur eine psychische Einwirkung auf das seelische Wohlbefinden zu prüfen.
Ersatzfähige Schockzustände sind beispielsweise Schlaflosigkeit durch Angstzustände und Albträume, völlige Schwunglosigkeit, Erschöpfungszustände und Vereinsamung, posttraumatische Belastungsstörung, Hoffnungslosigkeit, traurige Verstimmung oder Antriebsstörungen.
Bei Schockschäden kommen neben dem Schmerzengeld auch Heilungskosten sowie ein Erwerbsschaden (Verdienstentgang) in Betracht.
Beispiele aus der Judikatur zu Schockschäden
In 2 Ob 186/03x hat der OGH in einer extrem gelagerten Fallgestaltung – der Kläger verlor durch einen Verkehrsunfall, den der Lenker eines Sattelfahrzeuges verschuldete, seine Ehefrau und seine drei Kinder und war nach diesem Schockerlebnis nicht mehr arbeitsfähig – ein Schmerzengeld (Schockschaden) in Höhe von EUR 65.000,00 zugesprochen.
In 2 Ob 212/04x werden dem Lebensgefährten und Verlobten EUR 11.000,00 für den infolge der Todesnachricht erlittenen Schockschaden zugesprochen.
In 2 Ob 135/07b erlitt der behinderte Sohn aufgrund des Unfalltods der Mutter zeitverzögert eine massive Depression, die mit Selbstmord endete – es wurden EUR 35.000,00 an Schmerzengeld zugesprochen.
In 2 Ob 58/07d wurden den unfallbeteiligten minderjährigen Klägern EUR 7.500,00 bzw EUR 9.600,00 an Schmerzengeld für Schockschäden zugesprochen (Miterleben der schweren Verletzung des Vaters).
In 2 Ob 99/08k erachtet der OGH das einer Mutter aufgrund der Entwicklung einer „abnormen Trauerreaktion“ infolge des Unfalltodes ihrer 12-jährigen Tochter zugesprochene Schmerzengeld in Höhe von EUR 20.000,00 für angemessen.
In 2 Ob 138/10y erachtete der OGH den Zuspruch von EUR 7.000,00 an die Witwe des bei einem Verkehrsunfall Getöteten aufgrund des erlittenen schweren Schocks nicht als korrekturbedürftig.
Trauerschmerz
Nach neuer Rechtsprechung haben nahe Angehörige, unabhängig vom Vorliegen einer eigenen Gesundheitsschädigung, Anspruch auf Entschädigung für den reinen Trauerschmerz (seelische Schmerzen), wenn den Schädiger ein qualifiziertes Verschulden (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) am Verlust des nahen Angehörigen trifft. Trauerschmerz ist die seelische Reaktion, die durch den Verlust eines nahen Angehörigen entsteht.
Ein deliktischer oder vertraglicher Ersatzanspruch ist dann zuzusprechen, wenn eine grob schuldhaft verursachte Tötung (neuerdings auch Kindesvertauschung – 4 Ob 208/17t) bei einem Angehörigen, der mit dem Getöteten in intensiver Gefühlsgemeinschaft verbunden war, einen Trauerschmerz ausgelöst hat.
Bei leichter Fahrlässigkeit und im Fall einer Gefährdungshaftung besteht der Anspruch nicht, weil nach Ansicht der Rechtsprechung die erforderliche Schwere des Zurechnungsgrundes fehlt.
Beispiele aus der Judikatur zu Trauerschmerzen
In der Entscheidung 2 Ob 141/04f ist das einem Erwachsenen zustehende Trauerschmerzengeld (Verlust der Mutter) mit EUR 13.000,00 ermittelt worden.
In 2 Ob 90/05g hielt der OGH ein Trauerschmerzengeld (Verlust des Bruders) in Höhe von EUR 9.000,00 für angemessen.
In 2 Ob 263/06z erfolgte ein Zuspruch von je EUR 20.000,00 Trauerschmerzengeld an die Eltern des getöteten 6-jährigen Mädchens.
Abgelehnt wird die Zuerkennung von Trauerschmerzengeld beim Verlust eines (geliebten) Haustiers.
Bemessung des Anspruches
Die Bemessung des Anspruchs richtet sich nach der Intensität der familiären Bindung. Beachtliche Kriterien dafür sind insbesondere der Verwandtschaftsgrad, das Alter des Getöteten und des Angehörigen sowie das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft, wobei es aber immer auf eine Bewertung des Einzelfalls ankommt.
Mitverschulden des Getöteten mindert den Anspruch des Angehörigen.
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