Durch das Aktienrechts-Änderungsgesetz 2019 (AktRÄG 2019) BGBl I 2019/63 wird das AktG in zwei Bereichen novelliert: Zum einen werden neue Vorschriften für börsenotierte Gesellschaften erlassen. Zum anderen kommt es zu einer maßgeblichen Veränderung der – nicht nur für AGs, sondern auch für GmbHs relevanten – Bestimmungen betreffend das Gremium zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses. Dieser Aufsatz soll einen Überblick über alle Neuerungen bieten, die teilweise rückwirkend mit 10.06.2019 in Kraft getreten sind.
- Neuerungen für börsenotierte Aktiengesellschaften
Die unter diesem Punkt angeführten Neuerungen sind nur für börsenotierte AG und SE mit Sitz im Inland maßgeblich.
- Vergütungspolitik (§§ 78a und 78b AktG)
In § 78a AktG finden sich die allgemeinen Vorschriften über die Vergütungspolitik: In diesem vom Aufsichtsrat zu erstellendem Dokument ist zu beschreiben, nach welchen Kriterien die Vergütung der Vorstandsmitglieder festgelegt wird. In den insgesamt sieben Absätzen dieser Norm finden sich sehr detaillierte Vorgaben, welche Informationen die Vergütungspolitik zu enthalten hat.
- 78b AktG regelt die Abstimmung über die Vergütungspolitik, die der Hauptversammlung zumindest in jedem vierten Geschäftsjahr sowie bei jeder wesentlichen Änderung zur Abstimmung vorzulegen ist. Eine Neuerung im AktG ist dabei der Umstand, dass diese Abstimmung nur empfehlenden Charakter hat. Der von der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik gefasste Beschluss ist auch explizit nicht anfechtbar.
Obwohl das Abstimmungsergebnis der Hauptversammlung rechtlich nicht verbindlich ist, kommt der Vergütungspolitik eine erhebliche rechtliche Wirkung zu: Die Gesellschaft darf nämlich gem § 78b Abs 2 AktG die Vorstandsmitglieder nur entsprechend einer Vergütungspolitik entlohnen, die der Hauptversammlung zur Abstimmung vorgelegt wurde. Dies bedeutet konkret, dass sich der für den Abschluss der Vergütungsvereinbarungen mit den einzelnen Vorstandsmitgliedern zuständige Aufsichtsrat (§ 97 Abs 1 AktG) an die Vorgaben der von ihm selbst aufgestellten Vergütungspolitik zu halten hat. Eine nicht im Einklang mit der Vergütungspolitik stehende individuelle Vergütungsvereinbarung wird zwar dennoch gültig sein, jedoch begeht der Aufsichtsrat, der eine solche Vereinbarung abschließt, eine Gesetzesverletzung.
Nach § 78b Abs 3 AktG ist die Vergütungspolitik samt dem Abstimmungsergebnis spätestens am zweiten Werktag nach der Hauptversammlung auf der Internetseite der Gesellschaft zu veröffentlichen, wo sie bis zum Ende ihrer Gültigkeit kostenlos abrufbar bleiben muss.
Aus der in § 98a AktG angeordneten sinngemäßen Anwendbarkeit der §§ 78a-78e AktG ergibt sich, dass die Vergütungspolitik auch Informationen über die Entlohnung der Aufsichtsratsmitglieder umfassen muss.
Die erste Vergütungspolitik ist gem § 262 Abs 41 AktG für die erste ordentliche Hauptversammlung in jenem Geschäftsjahr aufzustellen, das nach dem 10.06.2019 zu laufen beginnt. Eine börsenotierte Gesellschaft mit Regelgeschäftsjahr muss die erste Vergütungspolitik daher für die ordentliche Hauptversammlung im Kalenderjahr 2020 vorbereiten.
- Vergütungsbericht (§§ 78c – 78 e AktG)
In börsenotierten Aktiengesellschaften ist vom Vorstand und vom Aufsichtsrat jährlich ein Vergütungsbericht aufzustellen (§ 78c Abs 1 AktG). Dieser Vergütungsbericht hat den Zweck, Transparenz über die tatsächlich gewährten Vergütungen herzustellen. Das Gesetz enthält detaillierte Regelungen zum Berichtsinhalt (§ 78c Abs 2 AktG). Die Absätze 3 und 4 des § 78c AktG beschäftigen sich mit Themen des Datenschutzes.
Auch der Vergütungsbericht ist der ordentlichen Hauptversammlung zur Abstimmung vorzulegen, wobei der entsprechende Beschluss ebenfalls nur empfehlenden Charakter hat und nicht anfechtbar ist (§ 78d AktG).
Nach der Hauptversammlung ist der Vergütungsbericht gem § 78e AktG zehn Jahre lang auf der Website der börsenotierten Gesellschaft öffentlich zugänglich zu machen, was vom Abschlussprüfer der Gesellschaft zu überprüfen ist. Eine Einreichung des Vergütungsberichts zum Firmenbuch als Beilage zur Niederschrift über die Hauptversammlung hat – anders als bei sonstigen Unterlagen, die in der Hauptversammlung behandelt wurden (§ 120 Abs 4 AktG) – ausdrücklich zu unterbleiben.
Der erste Vergütungsbericht ist in der ordentlichen Hauptversammlung des Geschäftsjahres vorzulegen, das auf das Geschäftsjahr der erstmaligen Vorlage einer Vergütungspolitik folgt (§ 262 Abs 41 AktG), dh bei einer Gesellschaft mit Regelgeschäftsjahr im Kalenderjahr 2021.
- Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen oder Personen (§ 95a AktG)
Die grundsätzliche Problematik von Geschäften mit nahestehenden Unternehmen oder Personen (sogenannte „Related Party Transactions“) besteht darin, dass manche Unternehmen und Personen – das AktG bezeichnet sie zusammenfassend als „nahestehende Rechtsträger“ – in einem besonderen Naheverhältnis zur Gesellschaft stehen und daher die Gefahr einer diese Rechtsträger begünstigenden Handlungsweise der Organe besteht, wenn es beispielsweise um den Abschluss eines Vertrags geht. Ein typisches Beispiel wäre etwa der Kernaktionär einer börsenotierten AG, der mit der Gesellschaft einen Kaufvertrag abschließen möchte: In einem solchen Fall könnte der Vorstand versucht sein, dem Kernaktionär besonders günstige (und damit für die Gesellschaft suboptimale) Konditionen zu gewähren (die Problematik der Einlagenrückgewähr bleibt dabei unbeschadet).
Seit dem 31.07.2019 sind bestimmte wesentliche Geschäfte, die eine börsenotierte Gesellschaft mit nahestehenden Unternehmen oder Personen abschließt, vom Aufsichtsrat zu genehmigen oder zusätzlich auch im Zeitpunkt ihres Abschlusses zu veröffentlichen.
Als „wesentlich“ gilt hierbei gem § 95a AktG ein Geschäft, dessen Wert 5% der Bilanzsumme der Gesellschaft (bzw bei Muttergesellschaften die Konzernbilanzsumme) überschreitet. Ab dieser Schwelle bedarf das Geschäft der Zustimmung des Aufsichtsrates. Über einem Wert von 10% der Bilanzsumme ist das Geschäft zusätzlich zur Zustimmung des Aufsichtsrates unter Angabe aller notwendigen Informationen öffentlich bekannt zu machen (Veröffentlichung).
In Bezug auf die Definition „nahestehender Rechtsträger“ wird unmittelbar auf die internationalen Rechnungslegungsstandards IAS/IFRS verwiesen. Die entsprechende Begriffsbestimmung findet sich in IAS 24.9. Auch was unter einem „Geschäft“ zu verstehen ist, ergibt sich aus IAS 24.9.
Erfüllt ein Geschäft alle Voraussetzungen des § 95a AktG, bedeutet dies allerdings noch nicht, dass es tatsächlich der Zustimmungs- bzw Veröffentlichungspflicht unterliegt, weil sich in § 95a Abs 6 und 7 AktG zahlreiche Ausnahmetatbestände finden.
- Ausstellung von Stimmrechtsbestätigungen (§ 126 Abs 2 und § 128 Abs 4 AktG)
Das AktRÄG 2019 brachte auch die Neuerung, dass eine börsenotierte Gesellschaft im Zusammenhang mit der Abgabe von Stimmen in der Hauptversammlung zwei Arten von Bestätigungen ausstellen muss.
Die erste Art der Bestätigung, die nur die elektronische Stimmabgabe (Fernabstimmung) betrifft, war im AktG schon bisher geregelt. Die zweite Form der Bestätigung wurde mit dem AktRÄG 2019 neu eingeführt: So regelt § 128 Abs 4 Satz 2 AktG nunmehr, dass eine börsenotierte Gesellschaft jedem Aktionär auf Verlangen eine Bestätigung über die korrekte Erfassung und Zählung der von ihm in der Hauptversammlung abgegebenen Stimmen auszustellen hat. Das gilt allerdings nur dann, wenn in der Satzung der Gesellschaft nicht ohnehin eine Veröffentlichung des individuellen Stimmverhaltens der Aktionäre vorgesehen ist (§ 128 Abs 4 Satz 1 AktG).
Die Verpflichtung zur Ausstellung dieser neuen Stimmrechtsbestätigungen besteht gem § 262 Abs 41 AktG, wenn die Einberufung der betreffenden Hauptversammlung nach dem 09.06.2019 bekannt gemacht wurde.
- Neuerungen betreffend das Gremium zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses
Mit dem AktRÄG 2019 erfolgten auch einige Änderungen für das Gremium zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses nach § 225g AktG: So ist das Gremium, das beispielsweise nach einer Verschmelzung oder einem Gesellschafterausschluss das Umtauschverhältnis (samt allfälligen baren Zuzahlungen) bzw die Barabfindung überprüft, künftig nicht mehr mit der Erstattung eines Gutachtens, sondern nur mehr mit der Streitschlichtung betraut (§ 225g Abs 1 AktG). Falls es sich für aussichtsreiche Vergleichsverhandlungen als notwendig erweist, kann das Gremium aber wie bisher ein Gutachten eines externen Sachverständigen einholen.
Um eine überlange Verfahrensdauer zu vermeiden, soll die streitschlichtende Tätigkeit des Gremiums grundsätzlich mit einem Jahr befristet sein. Sofern alle Parteien damit einverstanden sind, kann diese Frist aber auch überschritten werden (§ 225g Abs 1 und 6 AktG).
Im Bereich der Verfahrenskosten und des Kostenersatzes findet sich nunmehr die Anordnung, dass das Gericht in seiner Entscheidung, mit dem der vor dem Gremium geschlossene Vergleich genehmigt wird, den Gesamtwert der Zuzahlungen (bzw der Aktien, die anstelle von Zuzahlungen zu leisten sind) festzuhalten hat (§ 225i Abs 3 AktG). Dieser Wert stellt den „Gesamtstreitwert“ des gerichtlichen Überprüfungsverfahrens dar. Für den Kostenersatzanspruch jedes einzelnen Aktionärs gegen die Gesellschaft ist hingegen grundsätzlich nur der auf ihn entfallende Teil dieses Gesamtwerts maßgeblich (§ 225l Abs 2 AktG).