Unfall bei Verlassen eines Schlepplifts

Unfall bei Verlassen eines Schlepplifts

Der Kläger, ein zwölfjähriger Junge, klagte die Liftbetreiber eines Schlepplifts, weil er sich infolge eines Sturzes vom Schlepplift seine Schneidezähne ausschlug. Der Unfall ereignete sich wie folgt:

Als der Kläger mit dem Schlepplift bergauf fuhr, bemerkte dieser beim Aussteigen, dass sich seine Jacke am Bügel des Schlepplifts verfangen hatte. Er wurde vom Lift weitergezogen, was vom Liftwart nicht unbemerkt blieb. Sofort betätigte dieser den „Not-Aus“-Schalter. Dennoch bewegte sich der Lift aufgrund der Nachlaufzeit etwa 10 m weiter. Der Kläger wurde weiter in die Böschung gezogen und bei Stillstand des Lifts löste sich die Jacke vom Bügel und er stürzte ab, wodurch er sich die eingangs erwähnten Verletzungen zuzog. Anzumerken ist, dass die Ausstiegsstelle des Schlepplifts aufgrund örtlicher Gegebenheiten lediglich 10 m lang ist und auf diese eine steile natürliche Böschung mit einem Bügelfang folgt.

Das EKHG (Eisenbahn-Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz) kommt zur Anwendung, wenn eine Person beim Betrieb einer Eisenbahn, eines Kraftfahrzeuges oder eines Schlepplifts am Körper verletzt, getötet oder eine Sache beschädigt wird. Das Gesetz basiert auf der sog Gefährdungshaftung – die Haftung hängt nicht vom Verschulden des Halters bzw Betriebsunternehmers ab. Das Gesetz dient dem Ausgleich von Schäden, die sich aufgrund der Gefährlichkeit der Gefährte (Auto, Eisenbahn, Schlepplift) realisiert. Gemäß § 9 EKHG kommt es zu einer Haftungsbefreiung des Halters des Lifts/Autos/der Eisenbahn, wenn der Schaden durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde. Von einem solchen unabwendbaren Ereignis ist insbesondere auszugehen, wenn der Schaden auf das Verhalten des Geschädigten, eines Dritten oder eines Tieres zurückgeführt werden kann und die im Betrieb tätigen Personen nach den Umständen des Einzelfalles die gebotene Sorgfalt beachtet haben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und begründete dies mit dem mangelnden Verschulden des Liftwarts sowie mit dem erfolgreich erbrachten Entlastungsbeweis iSd § 9 Abs 2 EKHG. Das Berufungsgericht hingegen sprach dem Kläger ein Drittel des Schadens zu und begründete dies mit den mangelnden Sicherheitsmaßnahmen an der gefährlichen Ausstiegsstelle. Entgegen dem Ausspruch des Erstgerichts sei daher auch der Entlastungsbeweis iSd § 9 Abs 2 EKHG nicht gelungen.

Gegenständlich bestätigte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichts und sprach aus, dass unter der gebotenen Sorgfalt iSd § 9 Abs 2 EKHG die äußerste nach den Umständen des Einzelfalls mögliche Sorgfalt zu verstehen sei.

Der OGH begründet seine Entscheidung zum einen mit der Betriebsgefahr des Schlepplifts und zum anderen damit, dass der Liftbetreiber nicht die gebotene Sorgfalt aufgewendet hat, weil er hinter der Ausstiegsstelle für solche Fälle keine „weichen Materialien“ zur Abpolsterung eines Sturzes angebracht hat. Zwar hat der Liftwart schnell reagiert, jedoch entspricht die Nachlaufzeit des Lifts genau der Länge der Ausstiegsstelle, weshalb dem Liftbetreiber der Entlastungsbeweis iSd § 9 EKHG nicht gelungen ist.

Quelle:
Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht Band I Rz 1592 ff.
OGH 22.03.2018, 2 Ob 2/18k.

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